Grundsätzlich besteht häufig – richtigerweise – der Anspruch, dass Wildtiere nicht in Gehegen gehalten werden sollten, um sie dann Besuchern zu präsentieren oder sich selbst die Haltung auf privater Ebene zum Hobby zu gestalten, selbst wenn sie bereits in Gehegen geboren wurden und in selbigen aufgewachsen sind. Im WOLFCENTER halten wir ganz bewusst lebende Wölfe in Gehegen. Sie sollen uns als Vertreter und somit Botschafter ihrer Art in der Öffentlichkeitsarbeit unterstützen. Die Wahrscheinlichkeit, heutzutage in Deutschland einen lebenden Wolf in freier Wildbahn anzutreffen ist zwar je nach Region nicht Null, aber doch sehr gering. Wir zeigen lebende Wölfe in Gehegen, damit unsere Informationen besser erläutert werden und Menschen überhaupt mal einen lebenden Wolf sehen und in Ruhe anschauen können. Richtig ist, dass sich das Leben von Wölfen in Gehegen zu denen in freier Wildbahn aus verschiedenen Gründen unterscheidet.
All unsere Wölfe sind Nachzuchten von Wölfen aus, bereits seit mehreren Generationen in menschlicher Obhut lebenden, Wolfsgruppen. Sie stammen also aus anderen Zoos, Wildparks oder Tierparks und sind in den meisten Fällen im Welpenalter zu uns ins WOLFCENTER gekommen. Wölfe aus menschlicher Obhut dürfen aus verschiedensten Gründen nicht einfach “freigelassen” oder ausgewildert werden. Umgekehrt dürfen Wölfe aus der freien Wildbahn nicht grundlos gefangen und in einem Schaugehege untergebracht werden.
Die klassische Lebensgemeinschaft der Wölfe ist das Rudel, eine echte Familie aus einem Elternpaar und dessen Nachkommen aus den letzten beiden Jahrgängen. Nach dem Einsetzen der Geschlechtsreife mit 12 bis 24 Monaten wandern die erwachsenen Jungtiere ab, um mit einem in der Regel nicht verwandten Partner ein neues eigenes Rudel zu gründen und um ein eigenes Territorium zu besetzen. In Gehegen lebende Wölfe bilden häufig keine klassischen Rudel, bei denen stets die Eltern die ranghöchsten Tiere sind, denn es ist nahezu unmöglich, die erwachsenen Jungtiere regelmäßig an andere Zoos oder Tierparks abzugeben. Die Wölfe leben also in “künstlichen” Gruppen zusammen.
Wir unterbinden daher stets die Fortpflanzung aller Wölfe in unseren Gruppen. Die Wölfe in unseren Gehegen sind sind in vier von fünf Gruppen Geschwister, die als erwachsene Tiere normalerweise nicht mehr zusammenleben würden. Um das dauerhafte Zusammenleben untereinander zu regeln, gibt es immer wieder kleinere Streitigkeiten – häufig auch während der Schaufütterung, weil das Futter eine wichtige Ressource darstellt. Dies ist weltweit in unterschiedlichen Intensitäten in Gehegen zu beobachten. Diese Streitigkeiten können auf uns Menschen auch einmal lebensbedrohlich für den unterlegenen Wolf wirken. Gerade sehr laute Auseinandersetzungen mit Knurr- und Schreigeräuschen und auch Zwicken wirken auf uns Menschen umso gefährlicher, je lauter sie sind. Die Wissenschaft spricht dabei vom Kommentkampf. Doch gerade der Kommentkampf zeigt an, dass es sich nicht um einen wirklichen Ernstkampf der Wölfe handelt. Bei Ernstkämpfen vernimmt man keinerlei akustische Kommunikation mehr. Ferner zielt der Ernstkampf häufig auf die Tötung des Kontrahenten ab. Die in diesem Gehege gelegentlich zu beobachtenden Streitigkeiten gehen jedoch ohne ernsthafte Beißereien einher, und deshalb ist ein Eingreifen unsererseits nicht erforderlich. Sollte es sich jedoch abzeichnen, dass die auftretenden Streitigkeiten Überhand nehmen und ein Tier in Gefahr ist, werden wir die Gruppe trennen.

Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten:
- Wir entfernen den Angreifer aus der Gruppe.
- Wir entfernen den Gefährdeten aus der Gruppe.
- Wir entfernen beide Tiere (Angreifer und Kontrahent) aus der Gruppe und halten diese zusammen, denn die Einzelhaltung von Wölfen ist nicht artgerecht, so dass wir immer gewährleisten müssen, dass mindestens zwei Tiere zusammen leben. Bei dieser Möglichkeit beobachten wir dann, ob beide Wölfe aufgrund ihrer hochsozialen Grundveranlagung sich dann doch wieder vertragen und eine Paargemeinschaft anstreben.
Jedoch kann niemand voraussagen, wie sich die unterschiedlichen Lösungsansätze auf das Beziehungsgefüge der einzelnen Individuen auswirken. Die Dynamik einer sozialen Gruppe wird durch jedes einzelne Gruppenmitglied beeinflusst. Wir behalten täglich die Entwicklung im Gehege im Auge und werden zu gegebener Zeit eingreifen, wenn dies unerlässlich ist.
Aufgrund der zuvor beschriebenen Risiken ist es die Philosophie unseres Hauses, immer nur eine Fähe pro Wolfsgruppe zu halten. Gerade die Paarungszeit, die sog. Ranzzeit, kann heftigste Streitigkeiten mit Ernstkampfbezug bei der Mehrfähenhaltung auslösen. Diese zumindest theoretische Möglichkeit schließen wir also aus.
Da wir künftig weitere Wolfsgruppen in weiteren Wolfsgehegen präsentiert wollen, umfassen die künftigen Gruppen nur noch zwei bis drei Wölfe. Doch selbst wenn nur zwei Wölfe (z.B. ein Rüde und eine Fähe) zusammenleben, ist das noch lange kein Garant für dauerhafte Harmonie – die existiert nur als sehnlicher Wunsch in unseren Köpfen.
